A new Apocalypse (Teil 2)
Monate vorher
// 4 September 2020
Der Wind bläst mir um die Ohren - und ich Reche Laub, Moos und kleine Äste auf einen grossen Haufen und freue mich den Igeln ein kleines Zuhause zu geben. Ein Eichhörnchen hopst durch die Äste des grossen Baums als ich den Rechen gegen die Hauswand lehne und meine Schuhe abklopfe. Drinnen riecht es nach Kaffee den ich mir genüsslich in meine Lieblingstasse giesse. Gedankenverloren starre ich aus dem Fenster und beobachte ein paar Vögel die sich um das Vogelfutter zanken. Einer der Momente in denen sich die letzen Tagen wie ein Film vor meinem inneren Auge abspielen. So richtig glauben kann ich es noch nicht. Vor knapp 1 1/2 Jahren hab ich mich fast Hals über Kopf entschlossen meinen Job an den Nagel zu hängen und umzuziehen. Bzw. war der Plan ja eigentlich mit dem Wohnmobil durch Europa zu reisen aber irgendwie hat es sich dann doch so ergeben dass ich ein kleines Häusschen im "Wald" besitze. Nun lebe ich nach 10 Jahren "Übergangsphase" in hässlichen teil-möblierten beschissenen, feuchten Wohnungen in meinem eigenen knallroten Haus in Schweden; mitten im Wald knappe 40 km weg vom nächst grösseren Ort. Weit weg von Chaos, Hektik und ... allem was mir seit Jahren auf die Nerven ging.
Ich schlürfe meinen Kaffee und tapse ins Wohnzimmer um mich auf die Couch fallen zu lassen. Eigentlich nur um die Sprache zu lernen hab ich ein paar Streaming-Kanäle gespeichert die hauptsächlich Schwedische Nachrichten und langweilige Diskussionen bringen. Ich zappe ein bisschen durch die anderen Kanäle. Grade bin ich bei einem live Bericht eines Deutschen TV Senders angekommen - das ZDF streamt ja jetzt teilweise auch direkt ins Netz "...mit blossem Auge am Himmel sehen. Vorraussichtlich wird der Meteroit beim auftreffen auf die Atmosphäre in den nächsten Stunden in viele kleine Teile zerbrechen. Wie klein - und welche Auswirkung das haben wird ist, ist vollkommen unklar"...
Verdutzt starre ich auf den Bildschirm und schnappe mir mein iPad. Empört tappe ich auf dem Bildschirm herum um meinem Kumpel und ehemaligen Mitbewohner zu schreiben, der jetzt leider knappe 1200km von mir weg wohnt. Gebannt starre ich auf den Bildschirm, aber es gibt keine Bahnbrechenden Erkenntnisse - ausser das wohl ein Asteroid auf die Erde zu rast.
Ich klettere von der Couch und starre in den Abendhimmel. Ich kann nichts ungewöhnliches erkennen; natürlich nicht. Was genau soll "nächsten Stunden" heissen? Und wo sollen die zu sehen sein? Auf der NASA Webseite findet man jede Menge infos aber nichts davon beantworten meine Fragen so richtig.
Die letzen Wochen und Monate waren - und sind weiterhin - bereits ein langer Schlauch an ungewöhnlichen Situationen. Eine wirklich ernst-zunehmende gefährliche Grippewelle hat die die ganze Welt in einen Pause-Modus versetzt und nagt an uns allen. Persönlich macht es mir nicht so viel aus wie vielleicht anderen, ich bin gerne allein - faktisch habe ich mir dieses Haus ausgesucht weil es hier wenig bis gar nichts los ist. Das "Kaff" in dem ich nun wohne hat insgesamt vielleicht 10 Häuser, davon steht mehr als die Hälfte leer und der Rest ist weitläufig um den kleinen See verteilt. Mein Nachbar ist gute 1000m Luftlinie von mir entfernt. Einsam - aber nicht völlig abgeschnitten - sozusagen ein "Einsamkeit für Anfänger". Zur nächsten Einkaufsgelegenheit sind es gute 40 km - eine Strasse die mitten durch den dichten Wald führt. Es gibt daneben auch eine Art Waldweg / Schotterpiste, der im Winter scheinbar eine tolle Motorschlittenstrecke ist - so jedenfalls sagte der Markler, derzeit ist es jedenfalls eine coole Strecke um mit dem Fahrrad richtig gas zu geben.
Es blitzt und Donnert, dann fängt es an zu tröpfeln. Ich habe schon lange kein richtiges Gewitter mehr erlebt. Die letzen 10 Jahre in Irlands Süden nur ein einziges an das ich mich erinnern kann. Dort zieht das Wetter viel zu schnell vorbei um ein richtiges Gewitter zu bilden. Schon komisch wenn man sowas dann mal vermisst. Genauso wie Schnee. Nebst dem Haus war mein nahezu 2. Kauf ein gebrauchter alter Motorschlitten den ich in meiner nach und nach eingerichteten Werkstatt wieder flottgemacht habe.
Ich mümmle mich auf die Couch und verschlafe erfolgreich jede einzelne Episode Stromberg.
Das bisschen Regen ist in ein richtiges Unwetter übergegangen und es Blitzt und grollt fast ununterbrochen. Das Licht flackert - vermutlich wegen dem Gewitter? Mein Blick fällt auf die Solarpanels die halb ausgepackt in der Ecke stehen. Ich klicke auf "still watching" und schlafe ein.
Als ich aufwache ist es empfindlich kühl. Ein Blick aufs Aussenthermometer sagt mir 3 Grad. Verrückt - gestern waren es noch über 20. Ich tapse zum Ofen und staple ein paar Scheite Holz auf. In kürzester Zeit knistert ein Feuer - bis es richtig warm wird wird es noch ein wenig dauern. Mein Zeitrhythmus ist die letzten Tage völlig daneben - es ist grade mal 5 Uhr früh und ich bin hellwach.
In den Nachrichten streiten sich 2 Reporter darüber ob es nun Meteroit, Asteroid oder Meteor heisst. Für den Moment spielt es meiner Meinung nach keine Rolle, habe aber in den letzten Tagen längst einfach nachgelesen was der Unterschied ist. Wozu man das in den Nachrichten "diskutieren" muss anstatt einfach längst bekannte Fakten vorzulesen ist mir nicht ganz klar. Ganz abgesehen davon - was auch immer es ist - ist am Himmel und rast auf die Erde zu. Scherzhaft schüttle ich die Faust und rufe "da muss man doch was unternehmen". Vielleich bin ich jetzt schon zu lange allein und werde verrückt?
Vormittags klingelt wieder irgendwas in meinem Hinterkopf und spontan beschliesse ich meinen für nächste Woche geplanten Grosseinkauf auf heute zu verlagern. Normalerweise gehe ich maximal 1x im Monat richtig einkaufen und stopfe meine Vorratskammer voll. Nicht nur weil es halt nunmal 40km sind, sondern weil ich einfach überhaupt keinen Bock auf "Leute" oder wegfahren habe. Und im Zusammenhang mit der "Grippe Pandemie" hat das Einkaufen mit OP-Maske irgendwie was Apokalyptisch beunruhigendes und auf keine besonders angenehme Art Abenteuerliches.
Gesagt getan, ich stapfe durch die vom Wind herumwirbelnden Blätter zu meinem Wohnmobil. Eigentlich hätte das für die nächste länger Zeit mein Zuhause sein sollen. Aber die Grippe-Pandemie, geschlossene Campsites, geschlossene Wasser-Zapf-stellen und sonst alles mögliche innerhalb der EU haben meine Pläne spontan geändert. Zwar könnte ich dank Solar, Wasserfilter und diversen "Gadgets" in dem WoMo komplett autark auf nahezu unbegrenzte Zeit stehen aber es gibt einem - zumindest mir - dennoch alles ein ungutes Gefühl. Innerlich ist mir klar das "man" viel zu verweichlicht geworden ist. Ich zuckle durch den Wald Richtung Stadt und mehrfach kreuzen Tiere die Fahrbahn. Wildschweine, Rehe und ein paar Füchse. Die Stadt ist klein genug dass sich auch hier keine Menschenmassen ansammeln und im Supermarkt sind ausser mir vielleicht 6 andere Leute. Angenehm. Als ich bei den Nudeln links abbiege starrt mich ein dicker Mann mit rotem Kopf an. Er ist einer der wenigen die trotz Empfehlung der Regierung keine Maske tragen. Ich rolle mit den Augen, denke wütend an die ganzen Verschwörungs-vollidioten und gehe ihm aus dem Weg indem ich einfach die Richtung wechsle. Er ruft mir irgendwas unverständliches hinterher - ich kann nicht sagen ob es an meinen mangelnden Schwedisch-Kenntnissen liegt oder ob er einfach nur dumme Verschwöungs-Geräusche macht. Bestimmt einer von diesen "Anti-Masken" bekloppten murmle ich in mich hinein. Ich lade meinen Wagen randvoll mit Vorräten und schiebe den quietschenden Wagen Richtung Kasse. Natürlich ist mein Wagen der einzige mit kaputten Rädern... ich schwöre dass ich jedes mal das gleiche Ding erwische.
Auch über den Parkplatz schiebe ich inzwischen genervt das ratternde Gefährt, aber glücklicherweise geht das Einladen schnell, denn es fängt wieder wieder an zu regnen. Der dicke Mann hat sich inzwischen auf dem Parkplatz mit einer jungen Frau angelegt und fuchtelt schreiend mit den Händen in der Luft herum. Die arme Frau ist sichtlich verängstig und ich rufe laut "HEY". Wie von der Tarantel gestochen fährt er herum und seine Blicke durchbohren mich hasserfüllt. Immerhin steigt die Frau schnell in ihren Wagen, nicht ohne mir einen dankbaren Blick zuzuwerfen. Wütend, mit knallrotem Kopf, stapft der dicke Mann auf mich zu - ich habe wirklich keine Lust auf einen streit und steige auch schnell in mein Auto und werfe den Motor an. Das ich langsam loszuckle interessiert den Mann kein bisschen. Wütend hämmert er auf meine Motorhaube, an meine Seitenscheibe - was zum... irgendwas stimmt mit seinem Gesicht nicht. Er schreit unartikuliert vor sich hin, oder ich verstehe einfach seit wütendes ...was auch immer für eine Sprache dass sein soll... nicht. Für mich klingt es jedenfalls alles nach Blödsinn. Ich gebe Gas, achte jedoch darauf ihn nicht irgendwie an- oder um-zufahren. Bloss weg hier... Auf der ganzen Fahrt nach Hause geht mir die Situation nicht aus dem Kopf. Was hat mit seinem Gesicht nicht gestimmt mal ganz abgesehen davon dass er scheinbar ja völlig Banane im Kopf ist?
Ich schalte einen Radiosender ein - ich verstehe noch nicht alles, denn mein Schwedisch lässt zu wünschen übrig. Aber irgend etwas über vereinzelte Teile (Meteoriten) die bereits vom Himmel fallen und "faszinierende Anblicke" am Himmel. Na dann war es wohl doch harmloser als gedacht?
Ich zerre mühsam das klapprige Gartentor zu, mache eine mentale Notiz das bei nächster Gelegenheit in Ordnung zu bringen und verfrachte meine Einkäufe in die Vorratskammer. Hoffentlich hört es bald auf zu regnen, damit ich die Solarpanels aufbauen kann; denke ich als es erneut zu tröpfeln anfängt. Am Himmel blitzt es - Donner höre ich jedoch vorerst keinen, das Licht flackert ein paar mal, dann geht es aus. Genervt tapse ich zum Sicherungskasten - ein wilder mix aus modernen FI Sicherungen, einer Digitalanzeige und alten Drehsicherungen, ein paar notdürftig abgeklebte Kabeln - aber selbst der Sicherungskasten selbst hat keinen Strom. Das Display ist aus, woraus ich schliesse dass das komplette Netz lahmgelegt ist - darauf herumdrücken bringt überhaupt nichts. Grossartig, nicht dass ich grade die Gefriertruhe vollgestopft hätte. Die Batteriebank für die Solarpanels ist weder geladen noch fertig montiert. Glücklicherweise verfügt meine Küche über einen alten Holzbefeuerten Küchenherd, aber der Gefrierschrank ist ein Problem. Notfalls hätte ich den 2KW Generator den ich im Wohnmobil stehen habe. Und in dem ollen Keller ist es auch relativ kalt... Ich beschliesse wenigstens eine Stunde zu warten bevor ich das Teil an die Gefriertruhe anschliesse und wende mich dem Küchenofen zu. Noch ... habe ich das Ding nicht benutzt. Ich räuchere die Küche ein, doch irgendwann brennt das Teil. So richtig zieht der Kamin davon aber nicht. Auch das schreibe ich mental auf eine Liste; obwohl eigentlich bald mal der Kaminkehrer kommen sollte. Es dauert einige Zeit bis er richtig heiss wird und mir gehen die vergangen Stunden noch einmal durch den Kopf... der dicke Mann, was war da nur los?
Es piept, klickt; irgendwo weit entfernt knallt es und dann ist der Strom wieder da. Cool. Doch alles nicht so schlimm? Aber was das wohl für ein Knall war? Apathisch in die Pfanne starrend, brate ich mir auf dem inzwischen heissen Küchenherd ein paar Bratkartoffeln mit Speck und Zwiebeln.